Der Begriff 3-D-Druck geht vielen noch schwerlich über die Lippen. Für sie ist es Science-Fiction, wenn andere von selbstgedruckten Gegenständen reden. Wie kann man Gegenstände drucken? Was benötigt man dazu und vor allen Dingen was hat das mit dem Internet zu tun? Angeheizt wird die Entwicklung durch die Medien. Kaum eine Woche vergeht mit spektakulären Überschriften wie „China: Haus mit 3-D-Druckern hergestellt“, heißt es in Spiegel-Online, in der Tagesschau: „Autos aus dem 3-D-Drucker: Frisch gedruckt auf die Straße“, in der Zeit: „3-D-Drucker: Ausdruck in der dritten Dimension“ oder im Focus: „3-D-Drucker: Praline aus dem Arbeitsspeicher“. Selbst von gedruckten Lebensmitteln – und damit von einer neue Art des Shopping von druckbaren Produkten – ist die Rede.
Aber so ist es nun einmal mit neuen Dingen. Zunächst erzeugen sie Unverständnis und Skepsis, dann werden sie Realität. So war es auch mit den Smartphones. Vor zehn Jahren gab es sie noch gar nicht, erst das Iphone startete den Siegeszug durch die Welt. 42 Millionen solcher Geräte gibt es heute allein in Deutschland. Tendenz weiter steigend.
3-D-Drucker sind Maschinen, die dreidimensionale Werkstücke herstellen. Sie bauen sie schichtweise auf in dem zum Beispiel flüssiger Kunststoff aus einer Düse gespritzt wird. Gesteuert werden die Druckmaschinen durch Computer. Die Software stellt das Programm, was wie „gedruckt“ werden soll. Typische Werkstoffe für das 3-D-Drucken sind Kunststoffe, Kunstharze, Keramiken und Metalle. Angetrieben werden solche neuen Produktionsmöglichkeiten durch die Digitalisierung. Design und Steuerungsprogramme laufen heute auf Smartphones und Tablets. Diese mobilen Geräte sind überall einsetzbar, wo es entsprechende Datenverbindungen und damit Zugang zum Internet gibt.
In einigen Jahren werden wir auch den 3-D Druck als Selbverständlichkeit betrachten
Er hat gewaltiges Potenzial, unsere Wirtschaft zu verändern. Menschen drucken sich zum Beispiel Schlüssel oder Ersatzteile selber anstatt sie bei einem Lieferanten zu bestellen und sich liefern zu lassen. Was die Gegenstände betrifft, kennt die Fantasie hier keine Grenzen. Alles ist denkbar. Das kann ein Brillenbügel, eine Handyhalterung oder eine Schraube sein. So wird in den USA derzeit damit experimentiert, ganze Häuser zu drucken und sie in wenigen Tagen fertig wie ein Fertighaus aufzustellen. In Haiti wurden nach der großen Naturkatastrophe im Rahmen der medizinischen Hilfe Nabelschnur-Klammern mit dem 3-D Drucker hergestellt. Sie sind medizinisch notwendig, um Infektionen zu verhindern. Bisher wurden solche Klammern von Mitarbeitern einer humanitären Organisationen in einem Rucksack mitgebracht. Der Druck der Klammern vor Ort spart Zeit und Geld. Das Beispiel macht deutlich, wie weit sich Wertschöpfung in den kommenden Jahren globalisieren wird.
Auf großen Veranstaltungen, wie jüngst der re:publica in Berlin, sieht man sie: die Geräte, die oftmals wie eine Bierkiste aussehen. Eine Düse bewegt sich in alle Richtungen und spritzt Plastikgranulat Schicht um Schicht aufeinander. Die Anleitung kommt aus dem Computer, er kann Tausende von Kilometern entfernt stehen. Designer entwerfen wo immer sich sie befinden entsprechende Gegenstände am Computer in 3-D und senden die Daten zum Drucker. Schon für ein paar 100 € gibt es die ersten Drucker. Leistungsstarke Drucker kosten allerdings noch weit über 1000 Euro. In immer mehr Städten stehen bereits derartige Drucker in Copy Shops. Sie können dort zum Beispiel stundenweise angemietet werden.
Jeder fünfte Bundesbürger kann sich vorstellen, einen 3-D-Drucker zu nutzen, mit dem am PC entworfene Modelle als reale Gegenstände aus Kunststoff oder anderen Materialien ausgegeben werden können. Unter den 14- bis 49-Jährigen ist sogar jeder Vierte an einem 3-D-Drucker interessiert. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Hightech-Verbands BITKOM ergeben. „3D-Drucker haben das Potenzial, dass wir ganz auf unsere individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Produkte schnell selbst herstellen können. Das kann unsere Wirtschaft nachhaltig verändern“, sagt BITKOM-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.
Auch die öffentliche Verwaltung nutzt derartige neue Technologien, wenn auch zunächst nur zur Illustration
So schrieb das Kommunale Rechenzentrum Minden-Ravensberg/Lippe Geschichte mit dem ersten 3-D-Druck Schlüssel für das neue Bürogebäude, welches am 24.4.2015 feierlich eingeweiht wurde. Die Hochschule Ost-Westfalen-Lippe druckte den Schlüssel Schicht für Schicht als Abbild für die Einweihungsfeier.
Mit einem Gewicht von 450 g und einer Bauhöhe von 44 mm ist das Unikat im sogenannten Selektiven Lasersinterverfahren (SLS) erstellt worden. Für seine Herstellung waren ca. 3 kg Pulver und insgesamt etwa 8 Arbeitsstunden nötig. Davon benötigte der 3-D-Drucker knapp 4,5 Stunden Fertigungszeit. Damit griff das KRZ einen neuen Trend auf, der in den nächsten Jahren unsere Produktionswelt gewaltig durcheinander wirbeln wird. 3-D-Printing individualisiert praktisch die Massenproduktion, in dem jeweils Einzelfertigen ausgedruckt werden. Das werden viele Alltagsgegenstände aber auch Teile für die Fertigung sein.
Neue Manufakturen werden auch im ländlichen Raum entstehen
Das Design kommt zum Beispiel aus einer Kreativmetropole, wo immer diese auch sein wird, „gedruckt“ werden die Gegenstände in den Regionen. Solche Druckzentren könnten auch den ländlichen Raum vitalisieren. Neue Dienstleister entstehen rund um solche Druckzentren.
Weltweit wird 3-D-Printing vorangetrieben. Ganze Häuser oder Fahrzeuge könnten so produziert werden. Die ersten großflächigen Drucker werden bereits getestet. Für diese neue Dienstleistungen ist allerdings eine auskömmliche Breitband-Infrastruktur notwendig. Schnellere Leitungen sind hier unverzichtbar.
Machen uns nun 3-D-Druckern alle zu Fabrikarbeitern in dem wir mit einem Mausklick Dinge des Alltags selbst herstellen können? Werden wir unsere eigenen Produktionsanlagen in der Garage oder im Keller stehen haben? Das wäre sicherlich übertrieben. Aber es wird Bereiche geben, wo mittels solcher Verfahren individualisierte Güter zu niedrigen Preisen für den eigenen Bedarf produziert werden. Denkbar ist auch die Selbstproduktion im Bereich von Mode-Accessories, Spielzeug für Kinder oder Ersatzbeschaffungen. Individuelle regionale Produkte könnten jenseits von Massenanfertigungen in Dorfgemeinschaften hergestellt und über Plattformen wie Etsy weltweit angeboten werden. Experten sehen das größte Potenzial an Veränderungen durch 3-D-Druck allerdings in der industriellen Produktion.
Noch können wir uns nicht alle wirtschaftlichen Potentiale dieser neuen Technologie vorstellen. Vieles deutet darauf hin, dass die Einschnitte in das Wirtschaftsgeschehen genauso intensiv sein können wie vor zweihundert Jahren bei der Einführung der Maschinen in der Textilindustrie. Durch Aufstellung von Webmaschinen entstanden an den entsprechenden Standorten neue Zentren der Manufaktur. Sie belebten die Wirtschaft vor Ort durch Zulieferbetriebe wie zum Beispiel die Logistik. Neue Arbeitsplätze entstanden.
Das Zeitalter der Digitalisierung führt zu einer Plattform-Ökonomie
Neue Plattformen werden entstehen die das Spektrum der Möglichkeiten zu einer Ökonomie des Teilens erweitern werden. Design-Vorschläge können weltweit ausgetauscht, gemeinschaftlich in Teams erstellt, überall modifiziert und damit weiterentwickelt werden. Design-Ratgeber, neue Kurse, Anleitungen und Gemeinschafttnszentren sowohl in Städten als auch in Dörfern – verbunden mit weiteren Dienstleistungen – könnten entstehen. Für die Städte und Gemeinden bedeutet dies, entsprechende Infrastrukturen zu Verfügung zu stellen. Das sind neben Breitband insbesondere Orte der Kommunikation und Begegnung. Auch Bibliotheken könnten hier eine besondere Rolle spielen. Moderne Bibliotheken sind nicht nur Wissensspeicher, sondern auch Begegnungsorte neue Ideen auszutauschen und gemeinsam etwas zu tun. Startups könnten in ihnen zur Verfügung gestellten Räumen ihre ersten Arbeitsorte finden. In solchen Räumen könnten auch 3-D-Drucker als Basis Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden.
In größeren Städten gibt es bereits sog. Maker-Bewegungen wie beispielsweise in Hamburg. Sie schaffen eine Community und stellen die Basisinfrastruktur für 3-D-Druck zur Verfügung.
Die Kreativregion Linz in Österreich veranstaltete Anfang des Jahres ein Forum „Community Production“. Dort ging man der Frage nach, was 3-D-Druck für die Betriebe im ländlichen Raum bedeute. Vorgestellt wurden dort auch Projekte des offenen Technologielabors OTELO wie zum Beispiel die Fabrikatorenschule. Dort bauen Schüler unter Anleitung 3-D-Drucker und erproben sie. Die Drucker bleiben als Unterrichtsgeräte in den Schulen. Nach den Worten von Helga Berndorfer, Direktorin der neuen Mittelschule und Polytechnischen Schule Vorchdorf, „ist das 3-D Drucker Labor der erste Schritt in die Richtung unseres Bildungs Campus und ein Highlight im Energie- und Technikschwerpunkt der beiden Schulen. 3-D-Konstruktion und 3-D -Druck werden, so zeichnet es sich ab, in Bildnerischer Erziehung, Werken, Informatik, Mathematik, Physik und Chemie zum Einsatz kommen“. Österreich ist mit dem ersten regionalen 3-D-Drucklabor für Schulen und Kreative in ländlichen Regionen weit vorn.
Ein weiteres Projekt gibt es in der Gemeinde Ottensheim rund 10 km westlich von Linz. Hier stellte die Gemeinde das alte Amtshaus zur Verfügung. In ihm befindet sich nun ein ganzes Stockwerk mit einem 3-D Drucker, einer Radreparaturwerkstätte, einem Radio-Studio und anderen Räumlichkeiten zum Vernetzen, Diskutieren und Entwickeln von Projektideen.
Besonders bemerkenswert ist auch ein Projekt CO:LIVE der Stadt Siegen im Rahmen des Wettbewerbes Zukunftsstadt 2015. Zur Erschließung bürgernäher, innovativer Lebens- und Wohnräume auf Basis von Umnutzung, Do-it-Yourself und digitaler Fabrikation soll auch 3-D -Druck zum Einsatz kommen. Projektpartner ist hierbei auch das Fab Lab Siegen welches Bürgerinnen und Bürgern entsprechende Geräte zur Verfügung stellt.
Wirtschaft und Gesellschaft verändern sich ständig. Alles ist im Fluss. Die mit der Digitalisierung einher gehenden Möglichkeiten, Räume zu überwinden, ist eine Chance die wir nutzen sollten.
Künftig ist es denkbar, dass sich ein Autobesitzer oder seine Reparaturwerkstatt ein bestimmtes Ersatzteil für sein Auto selbst ausdrucken kann. Entsprechende Datenkataloge werden dann vom Autohersteller zur Verfügung gestellt.
Hansetag 2020 in Brilon könnte sich auch des Themas 3-D Druck annehmen
Im Jahre 2020 findet der internationale Hansetag in Brilon statt. Historisch betrachtet standen Hansestädte für Zusammenarbeit und Freihandel. Viele dieser Aufgaben haben heute supranationale Organisationen und wie die EU oder WTO übernommen. Angesichts der Problemlagen wie Klimaschutz und demographischer Wandel zeigt sich heute die Notwendigkeit einer neuen insbesondere internationalen Vernetzung von Städten. Wirtschaftsräume suchen unter einander nach Anschluss. Der Hansetag 2020 in Brilon könnte sich auch des Themas 3-D Druck annehmen und sich die Frage stellen, was diese Entwicklungen für Betriebe im ländlichen Raum bedeuten.
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