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Ein paar Euro für die Demokratie


John Oliver ist Comedian. Aber auch Journalist, auch wenn er es hasst so genannt zu werden. Mit seiner Show Last Week Tonight hat er schon seit einigen Jahren enormen Erfolg in den Vereinigten Staaten. Die exzellent recherchierten und fein pointierten Stories, die er dort erzählt, erreichen Woche für Woche Millionen von Zuschauern. Meist sind diese für den europäischen und deutschen Raum zwar unterhaltsam, doch wenig interessant, denn der Fokus liegt klar auf Amerika. Doch in seinem letzten Beitrag auf YouTube brachte Oliver ein Thema, das auch für die deutschen Kommunen hochinteressant ist: den Verfall der Printmedien.
Wegen dem enormen Fortschritt, den die Digitalisierung mit sich gebracht hat, vergessen wir oft, dass es auch Kehrseiten gibt. Gerade in den Kommunen merkt man diese. Da die überwältigende Mehrheit der Zeitungsleser ihre Nachrichten heutzutage umsonst aus dem Internet bezieht, sind die Absatzzahlen für Zeitungen global zurückgegangen. Das trifft besonders die lokalen Zeitungen hart. Sparmaßnahmen zwingen immer mehr Zeitungen dazu, Stellen zu kürzen oder erst gar nicht neu zu besetzen. Dazu kommen noch die Digitalisierungsstrategien, die auch die Nachrichtenbranche prägen. Was sich zunächst nach Fortschritt und größerer Reichweite anhört, entpuppt sich auf den zweiten Blick jedoch als Sisyphos-Aufgabe für seriöse Journalisten. Denn wenn Nachrichten im Internet verbreitet werden, und das meist noch umsonst, geht es nicht mehr primär um den Inhalt oder der Nachrichtengehalt, sondern um Klicks. So wird im Zeitalter des Online-Journalismus Geld verdient. Bilder von plüschigen und süßen Katzenbabies erwirtschaften viele Klicks. Witzige und veralbernde Videos erwirtschaften viele Klicks. Dagegen sind Berichte über die letzte Ratssitzung schlichtweg wenig sexy.
Unsere Demokratie basiert auf vier Stützen: Der Legislative, der Exekutive, der Judikative und den Medien. Wenn Letztere als kontrollierende und informierende Instanz wegfallen, gerät das System in Gefahr. Dies fängt gerade auf kommunaler Ebene an.
Die Gründe für den Verfall der Printmedien müssen wir bei uns selber suchen, den Lesern. Wenn wir nicht mehr bereit sind für Nachrichten zu bezahlen, bezahlen wir an anderer Stelle. Wenn wir kein Geld mehr für Zeitungen und professionellen Journalismus ausgeben, entmündigen wir uns selbst. Wir haben keinen Zugang mehr zu wichtigen Informationen, verpassen große Entscheidungen und die Möglichkeit aufzubegehren, wenn wir mit Entwicklungen nicht mehr einverstanden sind.
Die Entschärfung dieser Gefahr ist nicht einfach. Sie ist unbequem und vielleicht sogar lästig. Einen Masterplan zur Rettung der Printmedien gibt es noch nicht. Doch das sollte uns nicht abschrecken danach zu suchen. Der Preis, den wir zahlen wenn wir es nicht tun, ist sehr viel höher als die paar Euro, die eine Lokalzeitung kostet.
Autor: Jonas Wiggers

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