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Logistik wird zur strategischen Aufgabe der Kommunen

Der Logistikmarkt ist im Umbruch. Neue Zustelldienste entstehen. Logistikimmobilien verändern sich. Deutschland ist gut aufgestellt. Vieles wird ausprobiert. In Hamburg werden seit einigen Monaten auf der letzten Meile kleine, selbstfahrende Roboter eingesetzt. Sie fahren auf dem Bürgersteig und bringen die Pakete zum Empfänger. Noch werden die kleinen autonomen Fahrzeuge aus Sicherheitsgründen von einer Person begleitet. In weiteren Feldversuchen in deutschen Städten soll aufgrund der gemachten guten Erfahrungen auf diese Begleitperson verzichtet werden. Eine entsprechende Regelung im Bundesverkehrsministerium ist in Vorbereitung.
We by Volkswagen Deliver ist ein weiterer Erprobungsdienst. Der Kofferraum des Autos wird zur Lieferadresse. Der Kooperationspartner DHL stellt die Waren im Kofferraum zu. Wie gewohnt werden Waren online bestellt und das ist neu, ein Fahrzeug als Lieferadresse angegeben. Mit Hilfe eines einmaligen digitalen Schlüssels öffnet der Paketdienst den Kofferraum des Fahrzeuges. Bei der Bestellung müssen der Wunschtermin und der Wunschort der Lieferung angegeben werden. Einmal täglich ortet DHL per GPS den Ort des Fahrzeuges und organisiert die Zustellung. Langfristig ist daran gedacht, auf die Angabe von Wunschterminen bzw. vorgegebenen Orten der Zustellung vollständig zu verzichten. Das Paket bzw. der Zustelldienstleister suchen sich selbst das Auto. Das würde allerdings eine ständige Prüfung des Standortes des Fahrzeuges bedeuten. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist allerdings derzeit eine permanente aktuelle Abfrage nach Standortdaten von Fahrzeugen unzulässig. Wie der Service insgesamt verbessert werden kann, soll u.a. durch den Testversuch geklärt werden.
Die Deutsche Post testet in Bad Hersfeld erstmals in Deutschland einen Roboter, der Zusteller auf ihrer Zustellungstour begleitet und durch den Transport der Sendungen unterstützt. Dabei geht es in erster Linie zunächst um Briefzustellungen. In zwei Zustellbezirken wird der elektrisch fahrende „PostBOT“ dem Zusteller ab sofort folgen und dabei sechs Briefbehälter mit Sendungen transportieren. Somit werden die Postboten nicht nur vom Gewicht der Sendungsmenge entlastet, sondern haben zudem auch die Hände frei, um die Sendungen einfacher zu verteilen. Mit dem Test will die Deutsche Post herausfinden, wie Roboter Mitarbeiter im körperlich anspruchsvollen Zustellalltag künftig unterstützen können. Der Roboter kann Lasten bis zu 150 Kilogramm transportieren. Mittels Sensoren erkennt er die Beine der Postbotin oder des Postboten und folgt diesen auf Schritt und Tritt auf dem Gehweg. Hindernissen weicht er aus oder stoppt. Auch die Stadt Bad Hersfeld wird vom dem Test profitieren. Der Roboter wird zeitweise auch einem Mitarbeiter der Stadt zur Verfügung gestellt, der innerhalb der Stadtverwaltung Post verteilt.

Die Entwicklungen in der Technologie schreiten rasant voran. Die ersten City-Hubs entstehen. Das sind Auslieferungslager mitten in den Städten. Eine überragende Bedeutung bekommen Daten, die die gesamte Stadtlogistik in Zukunft steuern werden. Die Daten umfassen die Zahl der Pakete bzw. Waren die zugestellt werden, die Orte der Entgegennahme und der Zustellung von Paketen einschl. Informationen über die Art der Gegenstände z.B. gekühlt oder nicht gekühlt, verderblich oder nicht verderblich. Hinzu kommen Volumengrößen, Zeitfenster der Zustellung, Verkehrsdaten über die Nutzung des Straßenraums, Umweltdaten (Emissionen) und Kooperationsmöglichkeiten von Lieferdiensten. Das Datenmanagement wird künftig über Logistikplattformen abgewickelt. Wer aber wird diese Plattformen aufbauen und betreiben und vor allen Dingen wem gehören die Daten? Welche Rolle spielen die Städte und Gemeinden? Welche Daten stellen sie selbst zur Verfügung? Und vor allen Dingen, wer hat Zugang zu welchen Daten? Werden sich hierzu Plattformen bilden? – Wie offen sind solche Plattformen? Welche Daten sollen Städte und Gemeinden zur Verfügung stellen? Fragen, die auch auf kommunaler Ebene eine hohe Relevanz haben. Umgekehrt sind Kommunen auf Daten der Logistikunternehmen angewiesen, denn smarte Städte werden künftig durch digital Dashboards gesteuert. Sie liefern ständig aktuelle Parameter über wichtige Eckdaten der Infrastruktur und deren Nutzung. Dadurch entstehen intelligente Vorhersagen zum Beispiel von Verkehrsprognosen die wiederum den Logistikdienstleistern nutzen. Gerade im Bereich Mobilität und Logistik wird besonders deutlich, wie mit Daten gesteuert werden kann. Daten sind künftig die dritte Ressource neben Recht und Finanzen, mit denen die öffentliche Hand ihre Dienstleistungen anbietet. Um in der Sprache der Logistik zu bleiben: Die neuen Container sind nicht mehr aus Stahl und Eisen, sondern heißen Clouds.
Internetplattformen forcieren das Geschäft. Der Wirtschaftswarenverkehr hat in den deutschen Städten und Gemeinden einen großen Anteil am Verkehrsaufkommen. Die Logistik spielt für die Lebensfähigkeit der Städte und Gemeinden eine überragende Rolle. In Zeiten zunehmender Mobilität und eines intensiven Warenaustausches wird die Steuerung auch zu einer kommunalen Aufgabe. Logistik ist längst zu einem wichtigen Teil integrierter Stadtentwicklung geworden. Ohne ausgefeilte Logistikkonzepte keine smarten Städte und Regionen. Es geht um schnelle Lieferungen, um Vermeidung von Emissionen, eine optimale Nutzung des öffentlichen Raumes und um den Einsatz neuer Möglichkeiten der Digitalisierung.
Kommunen sind auf schnelle und optimale Warenlieferungen angewiesen, das gilt sowohl für die Wirtschaft als auch für die Konsumenten. Die Zahl der Güter, die transportiert werden müssen, steigt signifikant. Das ist u.a. auch dem Onlinehandel zu verdanken. Deutschland ist Europameister mit einem zu erwartenden Jahresumsatz von 49 Mrd. Euro.
War die Logistik in den vergangenen Jahren oftmals ein „notwendiges Übel“ und verursachte Lärm und Emissionen, ist das heute anders. Logistik hat eine strategische Bedeutung für die Kommunen. Eine neue Beziehung zwischen Logistik und Kommunen hat sich etabliert. Hotspots der Auslieferung entstehen auf der letzten Meile – sog. City-Hubs, die Waren zwischenlagern. Kreatives Handeln ist angesagt, neues Denken bezieht sich auch auf neue Raumstrukturen. Moderne City-Hubs sind dann nicht nur Auslieferungslager, sondern Orte der Kommunikation. Hier können sich Menschen begegnen, Einkaufen, eine Bibliothek oder ein Bürgeramt besuchen. Dazu ist ein neues Design notwendig. Weiter ausdehnen werden sich auch mobile Lieferstationen wie zum Beispiel Kofferraumlieferungen oder die Zustellung an Orten der Mobilität (Bahnhöfen). Empfänger werden kurzfristig über ihr Smartphone den Ort der Zustellung noch ändern können. Lasten-Fahrräder übernehmen auf der letzten Meile Zustellmöglichkeiten. Sie liefern emissionsfrei und oftmals schneller als herkömmliche Lieferfahrzeuge. Die Städte Wien und München geben für die Anschaffung von Lastenfahrrädern Zuschüsse bis zu 1.000 Euro. Ein Beispiel, das auch in anderen Städten Schule machen sollte.
Die Digitalisierung hat künftig einen entscheidenden Anteil der Logistik. Immer mehr Plattformen entstehen, auf denen Dienstleister zusammenarbeiten. Datengetriebene Logistikmodelle sind auf weiter dem Vormarsch. Amazon berechnet auf Grund von Vorhersagen, Kaufwahrscheinlichkeiten. Produkte werden dann in der Region nahe am Käufer vorgelagert, ohne dass bereits eine dezidierte Bestellung eingegangen ist. Wo, wann, wie, was an wen verkauft wird hängt von umfassenden Informationen ab, die miteinander in Beziehung gesetzt werden. Algorithmen machen die Geschäftsmodelle. Dynamische Karten zeigen Verkehrsflüsse und damit Staus auf. Das in Städten oft vorkommende „Parken in der zweiten Reihe“ kann durch ein besseres Informationsmanagement reduziert werden. So sind zum Beispiel temporäre „Einbuchtungen für Lieferfahrzeuge“ im Parkraummanagement denkbar. Neue Lieferbehältnisse entstehen an Straßen und an Häusern wie mobile Paketdepots. Der Schlüssel liegt hier in der intelligenten Vernetzung.
Fahrzeuge spielen eine überragende Rolle bei der Logistik. Kommunen sind auf die Kurier- und Expressdienste (KEP-Dienste) angewiesen. Bei den Anbietern sind die Möglichkeiten der Kooperation noch nicht überall ausgereizt. Sie brauchen leistungsfähige Infrastrukturen wie Straßen und Parkplätze. Dieselfahrverbote sind keine Lösung. Sie wären gerade für den Mittelstand und die vielen Handwerker und besonders für die Logistik verheerend. Altfahrzeuge müssen schnell nachgerüstet werden. Notwendig ist eine umfassende Verkehrswende. Grundlage hierfür bildet eine vernetzte Mobilität u.a. durch Kooperationen der Verkehrsträger, e-Mobilität oder aber der Förderung der Rad- und Fußgängerverkehre.
Um den Ausstoß von Schadstoffen besonders bei Nutzfahrzeugen zu reduzieren setzten die Kommunen insbesondere auf E-Mobilität. Da kommt der eScooter der Deutschen Post gerade recht. Die Deutsche Post setzt bereits Tausende dieser Elektrolieferfahrzeuge im Zustelldienst in Deutschland ein. Damit sind emissionsfreie Zustellungen in den Städten und Gemeinden möglich. In einem Werk in Aachen werden die batteriebetriebenen Nutzfahrzeuge hergestellt. Die Nachfrage ist so groß, dass inzwischen ein zweites Werk gebaut wird.
Logistikimmobilien sind kein „Schandfleck“ mehr
 Auch die Logistikimmobilien verändern sich. Mehrstöckige Immobilien, multifunktionale Mischgebäude, Mikrodepots als Umschlagzentren für die Innenstadtbelieferung oder die Umwidmung etwa von Büro- oder Handelsobjekten – für all das gibt es bereits interessante Beispiele. Im Rahmen eines Logix Wettbewerbs werden Logistikimmobilien prämiert, die in hohem Maße den Ansprüchen von Nutzern und Investoren gerecht werden. Darüber hinaus müssen sie sich durch städtebauliche, ökologische und soziale Aspekte auszeichnen. Mit diesen Kriterien gewinnen auch die Städte und Gemeinden bis hin zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zusätzlichen Steuereinnahmen. In den jüngsten Kernthesen der Initiative Logistikimmobilien heißt es u.a. „Die Zahl der verfügbaren Flächen nimmt ab, was die Entwicklung von Logistikimmobilien zu Alternativen, wie der Brownfield-Nutzung oder der Revitalisierung von Bestandsgebäuden in interessanten Lagen zwingt. Auch die Gebäudekonzepte werden durch den gestiegenen Leidensdruck gerade in attraktiven Ballungsräumen bzw. durch Mischnutzungen und architektonisch anspruchsvolles Design innovativer“. Der stadtnahe Flächenbedarf der Logistik nimmt vor allem auch durch das E-Commerce-Wachstum und damit verbundene Lieferversprechen in hohem Maße zu. Um den künftigen Entwicklungen sowohl von unternehmerischer als auch von städtebaulicher Seite Rechnung zu tragen, sollten sich Unternehmen, die sich mit der Logistik beschäftigen, und Kommunalpolitiker frühzeitig austauschen.
 Neue Dynamik: Auf kommunaler Seite ist eine ganzheitliche Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachämtern und Behörden notwendig. Notwendig sind smarte Lösungen für die gesamte Citylogistik, die inzwischen zu einem wichtigen Teil der Mobilität geworden ist. Der Lieferverkehr wird weiter rasant zunehmen. Dadurch entstehen Belastungen der Umwelt. Sie zeigen sich besonders in den Kommunen. Ein klimaneutraler Lieferverkehr ist ein wichtiges politisches Ziel und die Aufgabe aller: Logistik- und Fahrzeugindustrie, Kommunen, Länder und Bund. Künftig müssen die digitalen Möglichkeiten zum Beispiel durch den Aufbau von Plattformen mit einer modernen Verkehrssteuerung und Routenoptimierung und gemeinsamen Zustellungen konsequent genutzt werden. Der Aufbau von City-Hubs einschließlich mobiler Zustellorte ist dabei ein wichtiger Lösungsansatz. Denn: „Ohne Logistik sind die Städte geliefert“.
 Anmerkung: Der Beitrag erschien zuerst in der Schriftenreihe Wirtschaft und Logistik im Tagungsbank „Neues Denken – Digitales Leben“ im Rahmen des 34. Deutschen Logistikkongresses in Berlin am 25./26.10.2017
 
 
 

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