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Bürgerämter dürfen nicht zu Kampfzonen werden

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Glaubt man der Berichterstattung im Tagesspiegel und daran bestehen keine Zweifel, sind die Bürgerämter nicht mehr das freundliche und leistungsstarke Entree einer modernen und bürgerfreundlichen Verwaltung, sondern eine Kampfzone. Nach Medienberichten wurden im neuen Charlottenburger Bürgeramt Mitarbeiter angegriffen, als die Nummernvergabe wegen Überlastung gestoppt wurde: Vier Mütter mit Kinderwagen drängten sich in die Empfangsstelle, schrien und prügelten auf Beschäftigte ein, die blaue Flecken davontrugen. In anderen Berliner Bürgerämtern warfen frustrierte Bürger Papierstapel durch die Räume und drohten den Beschäftigten.
In Berlin sind die Bürgerämter hoffnungslos überfordert: Wartemarken für den Tag sind schon gegen 11:00 Uhr nicht mehr zu bekommen. Mitarbeiter geben die Parole aus, zwischen 30 und 60 Minuten vor Öffnung der Bürgerbüros um 8:00 Uhr bereits zu kommen, um die Chancen zu erhalten, eine Wartemarke ziehen zu können. Terminvereinbarungen über das Internet oder den Behördenruf 115 Uhr verkürzen zwar das Anmeldeprocedere, nicht aber die langen Wartezeiten, die bis zu vier Wochen dauern können.
Im letzten Jahr hat Berlin mehr als 40.000 neue Einwohner dazu gewonnen. Das entspricht der gesamten Bevölkerung der hessischen Mittelstadt Bensheim.
Bis zum Jahre 2020 erwartet Berlin weitere 400.000 Einwohner. Wie will die Stadt die damit zusätzlich zu erbringenden Verwaltungsleistungen organisieren, wenn sie jetzt schon nicht in der Lage ist, den Bürgerkontakten angemessen Rechnung zu tragen? Welches Bild wird von einer Hauptstadt und einem Land ausgesendet, in der Sicherheitskräfte für Ordnung in Bürgerämtern sorgen müssen?
Dass alles auch anders gehen kann, zeigen Beispiele in Europa:
In einigen skandinavischen Städten sind die Bürgerämter auch in Bibliotheken untergebracht. Dort befinden sich abgeschirmte und ruhige Zonen, in denen Bürgerinnen und Bürger per Videokommunikation direkt Kontakt mit Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern in der Verwaltung aufnehmen können. Formulare können vor Ort ausgedruckt und Papiere gescannt werden.
Noch weiter gehen Projekte der Firma Cisco mit Bürgerboxen, die, vollständig ausgestattet zum Beispiel in Kopenhagen in Bahnhöfen stehen. In Einzelfällen können dort weitere auch Dienstleistungen abgerufen werden, wie zum Beispiel der Kauf von Fahrkarten. Solche Boxen wären auch gut geeignet, um Verwaltungsleistung mobil an Orte zu bringen, die durch Naturkatastrophen (zum Beispiel Hochwasser) in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Man muss aber gar nicht so weit weg gehen, um solche Lösungen zu suchen: In Sachsen gibt es inzwischen auch solche Bürgerterminals, welche einen virtuellen Gang zum Amt ermöglichen. An fest installierten Stationen können neben Beratungsgesprächen Informationen über Verwaltungsvorgänge eingeholt werden – ein persönliches Erscheinen ist somit nicht mehr nötig.
Für die akuten Problem könnte eine weniger aufwendige Lösung aus Osnabrück helfen: Über eine App der Stadt kann inzwischen jedermann von überall aus die jeweiligen Wartezeiten an den Schaltern live erkennen. Fast alle internationalen Flughäfen auf der Welt zeigen im Internet die Zeiten von Starts und Landungen live an. Das dürfte sicherlich komplexer sein, als den Zugang zu den Bürgerämtern in Deutschlands Städten transparent zu machen.


Zurück nach Berlin: Überlastung hin oder her, hier muss durch organisatorische Maßnahmen und Personalverstärkung sowie Technikeinsatz schnell und dauerhaft Abhilfe geschaffen werden. Das Beispiel Berlin zeigt wie dringend notwendig es ist, endlich die rechtlichen Voraussetzungen für Online-Bürgerdienste zu schaffen und vor allen Dingen umzusetzen. Das gilt besonders für mobile Dienste. Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr als 40 Millionen Smartphones und die Zahl wird weiter steigen. Bürgerämter dürfen nicht zu Kampfzonen werden!


(Beitrag wurde am 12.7. um 13:00 Uhr aktualisiert aufgrund von Anregungen aus der Twitter Community)

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