(Berlin 21.1.) Eines zeigt die Wahl in Niedersachsen in aller Deutlichkeit: Die Volatilität des Wählers hat zugenommen. Wer hätte gedacht, dass bei der jüngsten Landtagswahl in Niedersachsen eine solche Wanderung von Wählern stattfindet? So wanderten von der CDU gut 100.000 Wähler allein zur FDP. Man mag sie Leihstimmen nennen, in Wirklichkeit handelt der Wähler aber weit strategischer, als es sich die Parteien selbst vorstellen. Bei den Freien Demokraten ging es gewaltig aufwärts, bei den Piraten, verglichen mit den vorherigen Landtagswahlen, blitzschnell abwärts. Eines steht fest, die Zahl der Wechselwähler wird weiter zunehmen. Das macht es schwer für die Parteien, präzise Prognosen abzugeben. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger praktizieren auch in der Politik ein „Check in – Check out“ Verfahren. So wie man heute in Hotels eincheckt, heute hier, morgen dort, wählt man unterschiedliche Parteien. Die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft hat längst die Parteien erreicht. Der Traditionswähler, der Jahrzehnte lang die gleiche Partei wählt, wird vermutlich eher die Ausnahme werden. Wählen wird zur Momentaufnahme. Das macht es immer schwerer, den Wähler mit Parteiprogrammen langfristig zu binden. Die Medien tun ihr Übriges, sie heizen die Wahlkämpfe an, polarisieren in der Darstellung und werden zum Gatekeeper. Das Wertesystem, in den Parteien früher der Stabilisator der Wähler, hat an Bedeutung eingebüßt. Für die Wahlkampfmanager heißt das, die richtigen Themen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu setzen. Das wiederum sollte den Wähler aufhorchen lassen. Wochen- oder gar Tagesstimmungen sollte keine Richtschnur für Wahlentscheidungen sein. Die Freiheit des Wählers zur Entscheidung ist ein hohes Gut in der Demokratie. Wählen wird wieder spannend. Ausruhen und hoffen, dass es schon klappen wird, ist für die Parteien keine Alternative mehr. Der Weg zur Wahlurne oder hoffentlich bald auch zum eVoting wird bedeutsamer und das ist auch gut so.
Die Volatilität des Wählers
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