++GASTBEITRAG VON WILLI KACZOROWSKI++
Der Gastautor geht der Frage nach, warum sollten städtische Wirtschaftsförderer ihren Bürgermeister darauf drängen, sich näher mit dem Konzept der smarten Stadt auseinander zusetzen?
1. Forcierung von High-Speed Internetanschlüssen
Die meisten im globalen Wettbewerb agierenden Unternehmen benötigen schnelle Internetverbindungen. Diese sind die Grundlagen einer smarten Stadt. Nur so können Unternehmen zum Beispiel hochbreitbandige Dienste wie Videokonferenzen in Anspruch nehmen oder digitale Konstruktionszeichnungen blitzschnell an Auftraggeber versenden, bevor ihnen die asiatische Konkurrenz zuvorkommt.
Allein die volkswirtschaftliche Bedeutung von schnellem Internet auf Glasfaserbasis spricht dafür, die Investitionen für diese Basisinfrastruktur trotz hoher Kosten vorzunehmen. So hat das brandenburgische Wirtschaftsministerium errechnen lassen, dass bis 2020 jährlich 0,5 des BIP zusätzlich erwirtschaftet werden oder 34000 neue Arbeitsplätze bis 2020 bei einem konsequenten Glasfaserausbau entstehen. Nach einer Studie der IHK Ulm stellt schnelles Internet inzwischen den wichtigsten Standortfaktor dar.
Die Notwendigkeit einer superschnellen Breitbandverbindung hat inzwischen auch die Politik erkannt, wenngleich sie das Ausbauziel mit der Digitalen Agenda 2013-2017 noch recht gemächlich angeht. Es hat sich herumgesprochen, dass superschnelles Breitband die soziale Infrastruktur des 21. Jahrhunderts ist. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat kürzlich eingeräumt, das Bandbreiten von 50 oder 70 Mbit/s bald nicht mehr ausreichen werden.
2. Intelligente Infrastrukturen
Die städtische und regionale Infrastruktur ist in die Jahre gekommen. Wie vielfach beklagt wird, ist zu wenig in die Substanzerhaltung geflossen. So ist ein gewaltiger Investitionsstau entstanden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt den jährlichen Investitionsbedarf allein für die Sanierung der Verkehrsinfrastruktur auf ca. 10 Mrd. €. Hinzukommen Investitionen für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie Energie- und Breitbandnetze.
Infrastrukturelemente wie Straßen, Radwege, Ampeln, ÖPNV-Strecken, städtische Beleuchtung oder die Gebäudeinfrastruktur sind bislang „unintelligent“. Sie sind untereinander nicht vernetzt und ihre Daten können für Echtzeitanalysen und Vorhersagen nicht ausgewertet werden. In einer smarten Stadt ist das anders. Hier erfolgt die Vernetzung von intelligenten Infrastrukturen und ihren Anwendungen über Plattformen mit Sensoren und anderen Messgeräten, die in Echtzeit in einem Smart City Cockpit eine zuverlässige Abbildung vom Zustand der Stadt wiedergeben.
Die intelligente Ertüchtigung der Infrastruktur ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite besteht aus dem erforderlichen Rückbau und Anpassungsbedarf, der sich aus dem demographischen Wandel besonders für den ländlichen Raum ergibt. Bei diesem Rückbau besteht ebenfalls die Chance, sie für die Herausforderungen des digitalen Zeitalters auszurüsten. Dies betrifft vor allem die Bildungs-, Verkehrs- und Gesundheitsinfrastruktur.
3. Gut ausgebildete Fachkräfte
In einer smarten Stadt wird der Bildungsbereich weitestgehend digitalisiert. Dies betrifft sowohl die digitalen Lerninhalte über digitale Bildungsplattformen wie auch die digitale Infrastruktur der Schulen oder der Bibliotheken.
Darüber hinaus lernen Schüler und Studierende in einer smarten Stadt vor allem, wie sie mit anderen durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien kollaborieren können. Dies wird eine Schlüsselqualifikation für die Arbeitskräfte der Zukunft sein, wenn immer mehr Fabriken an verschiedenen Orten und Beschäftigte an welchem Ort auch immer und zu welcher Zeit untereinander zusammenarbeiten müssen.
4. Neue Geschäftsmodelle und digitale Produktionsmöglichkeiten
Daten sind das neue Öl der Digitalisierung. Wer sie besitzt, kann daraus neue Geschäftsmodelle entwickeln. Deshalb ist es wichtig, dass die öffentliche Hand ihre Schränke öffnet. Die Wirtschaftsförderung sollte alle Open Data Anstrengungen unterstützen. Die in der Stadt vorhandenen Daten müssen maschinenlesbar aufbereitet und zur Verfügung gestellt werden.
Langsam erobern auch die 3D-Druckmöglichkeiten die Städte. Sie bringen bereits abgewanderte Produktion wieder zurück in die Stadt oder in die Region. Immer mehr Produkte lassen sich durch 3-D Drucker passgenau und in kostengünstigen Einzelstücken herstellen.
5. Nachhaltige Umwelt und effiziente Energie
Selbst wenn die Ölpreise inzwischen im Sinkflug sind, steht Energieeffizienz weiterhin auf der Tagesordnung der Unternehmen. Etliche internationale Smart City Projekte sind gerade aus dem Drang, eine Energiewende hin zu dezentralen Verteilungs- und Erzeugungsstrukturen aus grünen Energiequellen zu fördern, entstanden. Der Kampf gegen die Klimaerwärmung und die Treibhausgase stellt für Unternehmen immer noch eine Herausforderung dar. Zusätzlich wird mit der neuen Elektromotor-Antriebsenergie gerade die Verkehrswende vorbereitet. In der Smart City Köln nehmen gerade Projekte aus dem Energie- und Umweltbereich einen hohen Stellenwert ein. Ein anderes Beispiel im Energiebereich ist die Innovation City Ruhr.
6. Effiziente Interaktion zwischen Verwaltung und Unternehmen
Unternehmen brauchen für ihre Wertschöpfungsprozesse, für Firmenansiedlungen oder für die Einstellung von Mitarbeitern in der Regel die Interaktion mit der öffentlichen Verwaltung. Eine rechtssichere, schnelle und agile Verwaltung ist so zu einem wesentlichen Standortfaktor geworden. Eine smarte Stadt forciert online Verfahren, die medienbruchfrei, sicher und aus Sicht der Kunden für sämtliche Verfahrensschritte von der Antragstellung bis zur Bezahlung online verfügbar sind.
In den Städten erproben Banken und Sparkassen neue Servicekonzepte . Sie setzen u.a. auf Video- und Chatkommunikation zwischen der Sparkasse und den Kunden. In der Sparkasse am Niederrhein ist sogar die Legitimation per Skype-Video möglich. Genau so können es auch Verwaltungen machen. Smart City Projekte wie in Nizza oder Hamburg zeigen, dass die Videokommunikation den Vor-Ort-Besuch überflüssig machen kann. Außerdem können darüber auch eher Spezialisten eingebunden werden.
7. Bürgerkonsens durch Transparenz lässt Vorhaben schneller verwirklichen
Beteiligung und Transparenz sind neue Gebote der Politik und der Verwaltung im digitalen Zeitalter. Sie sind für die Konzeption von smarten Städten und Regionen konstitutiv. Nach der jüngsten Studie der Bertelsmann-Stiftung sind 66 Prozent eher bereit, Ergebnisse zu akzeptieren, mit denen sie inhaltlich nicht einverstanden sind, wenn sie vorher gehört worden sind und die Möglichkeit zur Mitsprache hatten. Nach dieser Studie sind 79 % der Meinung, dass durch Bürgerbeteiligung neue Ideen in den Planungsprozess einfließen.
Literaturhinweis:
Details zu den einzelnen Handlungsfeldern mit vielen nationalen und internationalen Beispielen finden sich in meinem Buch „Die smarte Stadt. Den digitalen Wandel intelligent gestalten. Handlungsfelder, Herausforderungen, Strategien”.
Anmerkung: Der Gastautor ist Freiberuflicher Berater zu Strategien zur besseren Nutzung von vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie in staatlicher und kommunaler Verwaltung und Politik. Davor war er beim Unternehmen Cisco, den Ländern NRW und Brandenburg sowie bei der EU-Kommission tätig.
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