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Stadt Moers öffnet Aktenschränke – erster Hackday zeigt den Weg in die Bürgergesellschaft

von Links: E-Gov-Student Marc Macziejek, Mitte: Thomas Tursics, Entwickler aus Berlin/Code for Berlin, Claus Arndt, Stadt Moers
von Links: E-Gov-Student Marc Macziejek, Mitte: Thomas Tursics, Entwickler aus Berlin/Code for Berlin, Claus Arndt, Stadt Moers

Am 21./22. März 2015 fand in Moers ein erster Hackday statt. Menschen entwickelten in einer kreativen Atmosphäre Lösungen für politische und gesellschaftliche Probleme. Veranstalter waren die Stadt Moers, die Bertelsmann-Stiftung und das Team Wegweiser. Er galt als Experiment und sollte u.a. den Fragen nachgehen, „Ist so etwas auch in Deutschlands Regionen möglich, oder nur ein Thema für die Metropolen? Interessieren sich auch in der Region genug Leute für so etwas?“
Im Interview mit DStGB-Online der Initiator Claus Arndt – bekannter Blogger, Social-Media-Stratege und Macher aus der Stadtverwaltung Moers.
Was ist überhaupt ein Hack-Day?
(Arndt) Auf einem Hackday treffen sich Hackerinnen und Hacker, um im Rahmen der Veranstaltung einzeln oder gemeinsam mit anderen kreative Lösungen für verschiedene Problem zu entwickeln. Dabei werden die Problem- bzw. Fragestellungen von den Teilnehmenden selbst formuliert. In unserem Fall ging es natürlich sehr stark darum, für diese Lösungen offene Daten zu nutzen, die wir als Stadt Moers, aber auch andere wie beispielsweise die Bertelsmann Stiftung oder das Land NRW, zur freien Verfügung stellen.
 Was war das Ziel des ersten Hack-Days in Moers?
 (Arndt) Wir haben mit der Veranstaltung mehrere Ziele verbunden. Sehr wichtig war es uns, die lokale und regionale Community kennenzulernen bzw. herauszufinden, ob es in Moers und Umgebung überhaupt Menschen gibt, die sich für Open Data interessieren und sich vorstellen können, offene Daten zu nutzen. Damit verbunden war für uns die Hoffnung, dass sich vielleicht dauerhaft eine Gruppe von Datenenthusiasten etablieren würde – ein „Code for Niederrhein“ Lab als Ableger der deutschlandweiten Aktion „Code for Germany“ der Open Knowledge Foundation.
Bürgermeister Christoph Fleischhauer spricht mit Hackern
Bürgermeister Christoph Fleischhauer spricht mit Hackern

Darüber hinaus haben wir uns natürlich erhofft, dass während der beiden Tage interessante Anwendungen entstehen. Ein weiterer Aspekt war, dass wir das Thema Open Data mit all seinen Chancen stärker in das Bewusstsein der Stadtgesellschaft rücken wollten.
Und nicht zuletzt wollten wir ein Signal in die Region Niederrhein aussenden, das auch anderen Kommunen Mut machen soll, sich mit Open Data zu befassen und Daten bereitzustellen.
Erster Hack-Day in Moers
Erster Hack-Day in Moers

Wie viele Teilnehmer waren dabei und welche Motivation hatten diese?
(Arndt) Insgesamt waren an beiden Tagen über 50 Teilnehmende im Moerser Rathaus, was allein schon ein absoluter Erfolg war! Viele waren da, um tatsächlich mit den Daten zu arbeiten und Anwendungen zu entwickeln. Bei den Hackerinnen und Hackern spielt natürlich der Spaß am Coden ein wichtige Rolle, aber es geht in der Tat oft auch um konkrete Probleme, die mit Hilfe offener Daten gelöst werden sollen.
Auch die Politik – insbesondere die der Landesebene – war vertreten. Daneben konnten wir Menschen begrüßen, die einfach nur interessiert an dem Thema und dem Geschehen waren, bis hin zu einem Siebtklässler, der mit großer Freude den Beteiligten über die Schultern geschaut hat. Vielleicht haben wir hier schon den Hacker der nächsten Generation erlebt!
Danken möchte ich auch an dieser Stelle auch der Bertelsmann-Stiftung und namentlich Anke Knopp für ihr großes Engagement während der beiden Tage in Moers aber in der Zeit der Vorbereitung.
Was waren die spannendsten Ergebnisse?
(Arndt) Es gab einige Projekte, die mich beeindruckt haben. Ich habe mich riesig gefreut, dass erfolgreich an einer Visualisierung der Daten aus den mobilen Verkehrszählungen gearbeitet worden ist. Diese Daten haben wir erst kurz vor dem Hackday nach großen Engagement der Kollegin aus dem Hause erhalten.
Beindruckt hat mich zudem die Energie, mit der einige Entwickler gemeinsam mit E-Government-Studenten der Hochschule Rhein-Waal an die Aufarbeitung und Visualisierung unserer Haushaltsdaten herangegangen sind. Hier ist eine Lösung zu erwarten, die uns bei unserem Projekt „Open Data und Schule“ erheblich voranbringen wird.
Spannend waren aber auch die von einer Gruppe entwickelte Lärm-App, ein kollaboratives Tool für Bürgerinnen und Bürger, das mit offenen Daten verknüpft werden kann, eine Baustellen-Anwendung und ein lokales Social Network, an dessen Entwicklung sich drei Moerser Gymnasiasten versucht haben.
Und nicht zu vergessen: In der Tat haben sich einige Interessierte zusammengefunden, um die Gründung eine Code for Niederrhein Lab anzustoßen!
Was können Sie anderen Städten und Gemeinden empfehlen?
(Arndt) Ich würde reinen Herzens empfehlen, sich mit dem Thema Open Data auseinanderzusetzen und dabei nicht die Bedenken, sondern die Chancen in den Vordergrund zu rücken. Und allen, die sich auf den Weg begeben wollen oder schon mit der Öffnung der Datenschatullen begonnen haben, sollte auch dieser Hackday beweisen, dass es sinnvoll ist, auf die Community zuzugehen und in den Dialog zu kommen.
Sehen Sie am Horizont einen Trend hin zur Co-Produktion von Verwaltung durch Bürgerinnen und Bürger, hin zu einer Art „Mit-Mach-Stadt“?
(Arndt) Ich muss gar nicht das schöne Bild vom Horizont bemühen: Wir erleben Co-Produktion schon heute! Zumindest in Bezug auf meinen Arbeitsbereich kann ich seit dem Start des Open Data-Projektes sagen, dass wir den Prozess gemeinschaftlichen Schaffens bereits erleben. Im engen Austausch mit Entwicklern entstehen Anwendungen, die der Allgemeinheit zugute kommen und Lösungen der Verwaltung mindestens ergänzen, wenn nicht gar ersetzen. Als Beispiel mag hier das offene Ratsinformationssystem www.politik-bei-uns.de dienen, das mit hohem ehrenamtlichen Engagement verwirklicht wurde und das in mancher Hinsicht besser und moderner ist als die herkömmlichen Produkte. Darüber hinaus wurde in einer echten Public-private-Partnership zwischen Bürgern, Unternehmen, Kommunen, kommunalen IT-Dienstleistern und einer NGO ein offener Standard für Ratsinformationssysteme auf den Weg gebracht, der noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll.
Welche „Aktenschränke“ hat die Stadt Moers geöffnet, um offene Daten zur Weiterverarbeitung zur Verfügung zu stellen?
(Arndt) Diese „Aktenschränke“ stehen im ganzen Haus verteilt. Wir veröffentlichen Daten aus den Bereichen Finanzen, Freizeit, Kultur und Bildung, Verkehr, Infrastruktur, Statistik, Umwelt und aus dem Rats- sowie Geoinformationssystem. Darüber hinaus kooperieren wir mit städtischen Töchtern und sogar mit einem Bürger, der Daten aus seiner privaten Wetterstation zur Verfügung stellt.
Wie gehts weiter?
(Arndt) Natürlich werden wir weiter in unseren Aktenschränken wühlen und noch mehr Daten veröffentlichen. Die Kooperation mit Dritten – wie z.B. dem ÖPNV-Anbieter – wird uns ebenso beschäftigen wie gemeinsam mit dem Kommunalen Rechenzentrum Niederrhein der Einsatz einer neuen technischen Plattform auf Basis von CKAN.
Wichtig ist uns der gute Kontakt zu anderen Kommunen und auch zum Land NRW, mit dem wir inzwischen einen guten, praktisch orientierten Austausch pflegen.
Wenn sich Code for Niederrhein gründet, werden wir natürlich auch die Arbeit der Gruppe unterstützen und begleiten.
Auf der Agenda stehen weiterhin das spannende Projekt „Open Data und Schule“ und eine kleine Reihe von Veranstaltungen unter dem Arbeitstitel „Open Data-Kamingespräche“, bei denen wir kurz und knackig spezielle Themen aufgreifen und diskutieren möchten.
Und, na klar: Der nächste Hackday kommt bestimmt!
Das Interview führte Franz-Reinhard Habbel per Facebook

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